Ein Abend mit Heribert Rech
Dienstag, der 08. Februar 2011, 17:45 Uhr
Kurzfristig haben wir erfahren, dass der Baden-Württembergische Innenminister Heribert Rech nach Heidelberg kommt. Diese Gelegenheit wollten wir uns nicht entgehen lassen. Etwa 50 Demonstranten warteten vor dem Rohrbacher Weinlokal „Traube“ auf Rech, der auf Einladung der CDU-Stadtbezirksverbände Rohrbach und Kirchheim eine Rede zum Thema Sicherheitspolitik halten wollte. Werner Pfisterer, langjähriger CDU Landtagsabgeordneter, begrüßte seinen Parteifreund. Fast ebenso viele Sicherheitskräfte der Polizei waren anwesend, um den Innenminister zu schützen.
Zunächst waren wir positiv überrascht, denn neben dem CDU-Stammtischklientel wurde auch uns und etwa einem Dutzend anderen, die erkennbar nicht zum geladenen CDU-Klientel gehörten, Einlass gewährt.
Einer der Hintergründe der Mahnwache der Antifa-Aktivisten und anderer Gruppen war die Enttarnung des Spitzels Simon Bromma, welcher vom LKA Baden-Württemberg als Student getarnt in die linke Szene eingeschleust worden war.
Für die Betroffenen, deren Persönlichkeitsrechte durch den Einsatz der Spitzel verletzt worden waren, hatte der Minister weder Worte des Bedauerns und schon gar keine Entschuldigung parat. Stattdessen antortete der politisch verantwortliche Minister und LKA-Chef „Jedem Verbrecher wird im Nachhinein erklärt, warum seine Freiheitsrechte beschränkt wurden.“ Im Weiteren weigerte er sich, auf den Fall einzugehen und verwies auf die Sitzung des Landtagsinnenausschusses 16. Februar, in dem „alles auf den Tisch“ komme. Zwischenzeitlich waren noch zwei weitere Spitzel in Heidelberg enttarnt worden, was der Minister weder dementieren noch bestätigen wollte.
Inhaltlich sprach der Innenminister, von zahlreichen Zwischenfragen unterbrochen, vor allem von „unserer Polizei“, die er in den höchsten Tönen lobte, worauf hin einer der Anwesenden konterte, dass das Vorgehen der Polizei zunehmend aus den eigenen Reihen kritisiert wird. So ein Mannheimer Polizist der in Stuttgart dabei war sich öffentlich „schämte“ dass die Polizei auf friedliche Schüler brutal losging. Von der Polizeigewerkschaft würde nicht nur in bezug auf die Demostrationen gegen S 21 der Vorwurf laut, dass die Polizei immer mehr von der Politik missbraucht werde würde.Die einfachen Polizisten hätten auch nicht vergessen dass gerade die schwarz/ gelbe Landesregierung mit Bayern vorreiter der Arbeitszeitverlängerung auf 41 Stunden gewesen sei. Der Minister zog es vor hirauf nicht zu antworten.
Alles in allem wäre es eine gelungene Wahlkampfveranstaltung voll des Eigenlobes geworden, hätte nicht die kritische Öffentlichkeit gegen die Politik des Innenministers protestiert und ihn in der Veranstaltung mit kritischen Fragen und Fakten konfrontiert.
Erwähnenswert sind noch einige brilliante Vorschläge aus den Reihen der CDU-Wählerschaft:
Zum Thema „Komasaufen“ unter Jugendlichen schlug eine angehende Pädagogin vor, man solle es doch machen wie in Amerika, da würden die Jugendlichen nicht trinken, weil die Polizei die betreffenden sofort wegsperre.
Von dieser „höchst pädagogischen“ Maßnahme distanzierte sich der Innenminister klugerweise, jedoch nicht ohne eine bemerkenswerte, sehr persönliche Anekdote aus seinem Leben zum Besten zu geben: Seine beiden Töchter waren im Alter von 13 und 15, als seine Frau verstarb. Ratlos, wie er denn nun die Erziehung der Kinder alleine gestalten solle, denn als Landtagsabgeordneter und Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei war er ja nie zuhause. Also fragte er die beiden Töchter, was sie für das Beste hielten (er wäre sogar bereit gewesen, seine Kanzlei aufzugeben). Zu seinem Erstaunen meinten diese, er solle einfach weitermachen wie bisher, und brauche sich nicht weiter um sie zu kümmern, das wäre ihnen am liebsten. „Und das war die beste Entscheidung meines Lebens (…), denn ich habe ja von Erziehung keine Ahnung“ gestand der Minister freimütig.
Ein weiterer interessanter Vorschlag aus dem CDU-Lager betraf die zunehmend ausufernden Sicherheitsvorkehrungen bei G8-Gipfeln und die entsprechenden Kosten für die Länder in Millionenhöhe. Warum die kommenden Gipfel nicht einfach auf einen Flugzeugträger ins offene Meer verlegen? Wegen den hohen Kosten könne man darauf kommen, entgegnete der Minister. Er gab allerdings zu bedenken, dass eine Regierung zu ihrer Politik stehen müsse und dies auch gegen Widerstände durchsetzen.
Zu guter Letzt meldete sich der Vorsitzende der Kleintierzüchtervereine, Vertreter von über 200.000 Kleintierzüchtern in Baden-Württemberg, mit der Bitte zu Wort, das Verbot von Kleintiershows und Veranstaltungen am Totensonntag aufzuheben. Für den Innenminister eine willkommene Gelegenheit, um von den heftig kontrovers diskutierten Themen der Polizeispitzel, staatlich verordneter Gewalt, Missbrauch der Polizei etc. abzulenken und über ein Thema zu reden, über welches er ausführlich und gewürzt mit Anekdoten über Kleintierveranstaltungen, die er in seiner Kindheit so gerne besucht hatte, sprechen konnte.
Wir meinen: Wer friedliche Bürger und junge Studierende bespitzeln lässt, polizeiliche Gewalt auf friedlichen Schülerdemonstrationen rechtfertigt, das Demonstrationsrecht einschränkt und dabei immer mehr Anmelder von Demonstrationen schikaniert und willkürlichen Strafen aussetzt (wie zuletzt geschehen gegen den Verdi-Gewerkschaftssekretär Mark Kappler und mehreren Anmeldern der verschiedenen Montagsbewegungen), ist in der Regierung nicht mehr tragbar.
Wie die Gegner von Stuttgart21 fordern wir: Mappus und Rech müssen weg!
Am 27. März ist unter anderem dafür Gelegenheit.
Weitere Informationen zum Fall des Spitzels Simon Bromma finden Sie hier.